Ungewisse Zukunft für Förderschule

Erstellt von Viktoria Barnack |

Integration contra Inklusion: Kreistag lehnt Auflösung der Pestalozzi-Schule überraschend ab

Eigentlich sollte es keine Diskussionen geben. Die Auflösung der Förderschule „Pestalozzi“ in Jüterbog war eine lange abgemachte Sache. Nur die Abgeordnetenim Kreistag mussten noch offiziell zustimmen. Umso größer war die Überraschung am Montagabend: Mit 16 zu 14 Stimmen lehnte der Kreistag die Auflösung ab. Vor allem CDU und AfD, aber auch mehrere kleine Fraktionen, entschieden sich in der namentlichen Abstimmung für die Offenhaltung der Förderschule. Nur SPD und Linke folgten mehrheitlich dem Willen der Verwaltung. Die Argumente von Landrätin Kornelia Wehlan (Linke) reichten den Abgeordneten insgesamt nicht aus. Der Kreis erklärt, zur Auflösung der Förderschule würde es keine Alternative geben. Denn die Mindestzügigkeit wird nicht mehr erreicht. Wenigstens vier Klassen mit durchschnittlich elf Schülern wären dafür nötig. Ab Herbst 2019 werden aber voraussichtlich nur 26 Schüler in drei Klassen unterrichtet, im Schnitt also nur noch 8,7 Schüler. „Damit erreicht die Schule nicht mehr die erforderliche Schülerzahl“, heißt es in dem Beschluss, der nun abgelehnt wurde. „Wenn der politische Wille da wäre, hätte man schon vor Jahren dafür sorgen können, dass die Mindestzügigkeit auch heute erreichbar wäre“, sagte AfD-Politikerin Birgit Bessin. Ihrer Partei gehe es vor allem um die Wahlfreiheit der Eltern zwischen Förderschule und Inklusionsklassen an Regelschulen. Wenn der Weg zur nächsten Förderschule für lernbehinderte Kinder in Teltow-Fläming immer länger würde, sei das aber nur noch theoretisch der Fall. Mit dem Engagement für die Schule in Jüterbog will Bessin auch ein grundsätzliches politisches Zeichen gegen die Schulentwicklung in Brandenburg setzen. Inklusionsklassen seien eine Wunschvorstellung, sagte sie. „Die Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es fehlt anallen Ecken und Enden an Lehrern.“ Detlef Schlüpen (SPD) wirft Bessin nicht genug Weitsicht beim Thema Inklusion vor. Dass Lehrer mit entsprechender Qualifikation fehlten, sei korrekt. Daraus die Konsequenz zu ziehen, dem integrativen Unterricht gänzlich abzuschwören, sei aber ein Fehler. „Wir brauchen nicht die Politik, die sagt, wir drehen alles zurück, weil wir nicht genug Lehrer haben. Dann bekommen wir es nämlich nie hin“, sagte Schlüpen. Für den Erhalt der Pestalozzi- Schule in Jüterbog plädierte auch die CDU – im Gegensatz zur AfD allerdings mit dem Argument der Integration. „In vielen Jahren der DDR-Sozialisierung habe ich erlebt, dass behinderte Menschen aus- und weggeschlossen wurden“, sagte Carola Hartfelder. Die Förderschule zu schließen, sei nicht mit dem Leitbild des Landkreises vereinbar. Denn darin ist die Förderung von sozialer Integration festgeschrieben. „Ich bezweifle, dass wir lernbehinderte Kinder in den heutigen, normalen Schulen so fördern können, dass das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Schwächen am gesellschaftlichen Leben erfüllt wird“, sagte sie. „So gehenuns die Kinder und Jugendlichen verloren.“ Hartfelder hatte schon der jüngsten Schulentwicklungsplanung des Landkreises nicht zugestimmt, weil darin die Schließung der Jüterboger Förderschule vorgesehen ist. Wie es mit der Pestalozzi-Schule nun weitergeht, ist unklar. „Die zuständige Schulrätin des staatlichen Schulamtes wurde heute über die Ablehnung des Kreistages informiert“, erklärte die Kreisverwaltung auf MAZ-Anfrage. Als Schulträger wäre der Kreis laut Gesetz eigentlich zur Auflösung verpflichtet gewesen. Deshalb kann nun das Innenministerium als Kommunalaufsichtsbehörde die Auflösung anordnen. „Sowohl der Landkreis als auch das staatliche Schulamt prüfen nun den weiteren Umgang mit der aktuellen Beschlusslage“, so die Verwaltung. Mit dem alten Gebäude hat die Stadt Jüterbog große Pläne. Es soll nach der Schließung der Förderschule im Sommer übergangsweise als Unterrichtsort für die knapp 400 Wiesenoberschüler dienen. Ihre Schule wird für mehrere Millionen Euro saniert. Danach will die Stadt in der Schulstraße eine neue Grundschule einrichten.

Quelle: MAZ vom 27.02.2019, Autor: Viktoria Barnack

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