Kuscheln hilft gegen Heimweh

Erstellt von Martina Burghardt || Berufsorientierung 

Seit einigen Wochen lebt Juliana aus Kolumbien in Jüterbog. Sie geht zur Wiesenschule und hat sich bei ihrer Familie schon recht gut eingelebt.
Juliana ist 15 Jahre alt, sie besucht die 10. Klasse der Wiesenoberschule Jüterbog, spielt gern Volleyball, geht regelmäßig joggen, hat blonde Haare und isst am liebsten Salamie und Käse, gern auch Nudeln oder Pizza. Ebenso wie andere Mädchen ihres Alters, allerdings gibt es einen großen Unterschied: Jüterbog ist für sie nur ein Zuhause auf Zeit, denn Juliana ist Kolumbianerin. Seit gut drei Wochen lebt sie bei Familie Göritz in Jüterbog II. Gastfamilie zu werden und eine Austauschschülerin bei sich aufzunehmen, hatten Madeleine und René Göritz gemeinsam mit Tochter Patricia und der im Haus lebenden Mutter schon im vorigen Jahr entschieden. Ein Beitrag in der MAZ hatte sie auf die Idee gebracht, sich bei dem Verein Experiment zu bewerben, der verschiedene Austauschprogramme organisiert. Mit "sehr spannend" beschreibt René Göritz die Zeit, in der sich die Familie mit diesem Thema beschäftigt hat. Bis das nächste Austauschprogramm startete, vergingen einige Monate, doch im September kam dann der Anruf und wenig später der Bewerbunsbogen von Juliana mit einem Brief, geschrieben in deutcher Sprache. Während sich das Mädchen auf ihren Aufenthalt in Deutschland vorbereitete, packte ihr 18-jähriger Bruder bereits die Koffer - seine Zeit als Austauschschüler in Deutschland war gerade vorbei. Gemeinsam mit den Eltern reiste Juliana über den Atlantik, verbrachte die ersten Wochen in verschiedenen Städten Europas sowie in Deutschland. Dazu gehörte eine Stippvisite bei Familie Göritz in Jüterbog. Weil Julianas Vater, ein Bauingenieur, sehr gut deutch spricht, war die Verständigung kein Problem. Das gegenseitige Kennenlernen empfanden beide Familien als sehr beruhigend. Nun ist Juliana dabei, in Jüterbog heimisch zu werden. Im Wohnungsflur prangt jetzt die kolumbianische Fahne. "Damit sie sich zu Hause fühlt, sagt Gastmutter Madeleine Göritz. Für Patricia ist es immer noch ungewohnt, eine Schwester zu haben und mit ihr die Aufmerksamkeit der Eltern teilen zu müssen. Freimütig erzählt sie, wie gewöhnungsbedürftig das ist, dass sie immer noch ein wenig Eifersucht verspürt. Dann aber strahlt sie doch über das ganze Gesicht. "Es ist schön, dass Juliana da ist. Mal was Neues, Spannendes", meint die 13-Jährige, die wie ihre Mutter Friseurin werden will. Juliana fühlt sich auch wohl, aber die Sehnsucht nach der Familie und den Freunden in Kolumbien ist groß. Gegen das Heimweh, vor allem nach den Telefonaten mit der Heimat, haben Gastmutter und -schwester ein wirkunsvolles Rezept: Es wird gekuschelt. "Am Anfang war sie sehr ruhig, aber langsam kommt das südamerikanische Temperament zum Vorschein", so René Göritz. Das Eingewöhnen wird Juliana auch in der Schule leicht gemacht. Obwohl sie in ihrer Heimatstadt Medellin eine deutsche Schule besucht und seit acht Jahren Deutschunterricht hat, kann sie nicht immer so schnell folgen wie ihre Mitschüler. Von ihnen und von den Lehrern bekommt sie deshalb Unterstützung. "Alle sind sehr nett", berichtet Juliana. Inzwischen fährt sie mit dem Schulbus allein nach Haus und schaut mal im Friseursalon nach ihrer Gastmutti. René Göritz arbeitet in Jüterbog beim Rettungsdienst, ist also nicht zu Hause, wenn Juliana von der Schule kommt. Natürlich möchte Familie Göritz ihrem südamerikanischen Gast etwas von Deutschland zeigen. In den Winterferien waren die Schlösser und Berge von Bayern dran, der nächste Urlaub wird sie an den Rhein führen. Auch die nährere Umgebung bietet genügend Ziele, in Johannismühle und Glashütte waren sie schon. Shoppen in Berlin - das kommt auch noch dran.
In einem halben Jahr ist Juliana wieder zu Hause. Dann beendet sie die 10. Klasse. Schon jetzt ist das Mädchen für Familie Göritz ein "Glücksfall". Jemanden aus einer anderen Kultur kennenzulernen - so eine Gelegenheit bietet sich eben nicht oft. Und außerdem werden die drei mindestens einige spanische Wörter behalten, die Juliana ihnen beigebracht hat. 

Quelle: MAZ, Jüterboger Echo, 18.02.2009, Autorin: Martina Burghardt

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