LUCKENWALDE/JÜTERBOG - Es wird Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis Schüler und Lehrer darüber hinweg sind, dass Freunde und Kollegen vor ihren Augen erschossen wurden. Dessen ist sich Johannes Lorenz sicher. Jeder muss so ein Erlebnis auf seine eigene Art verarbeiten und dabei braucht er Begleitung, erklärt der Projektleiter der Notfallseelsorge im Kreis Teltow-Fläming gegenüber der MAZ.
Ein solch schweres Trauma rufe die unterschiedlichsten körperlichen Stressreaktionen hervor: Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und andere psychosomatische Krankheitsbilder, die zur seelischen Belastung hinzukommen. Ich hoffe, dass die Leute nun in Ruhe gelassen werden. Sie sollten den Kontakt zu den engsten Freunden und Verwandten suchen können, um das Erlebte zu besprechen, sagt Johannes Lorenz, der die vorläufige Schließung der Schule für den richtigen Schritt hält.
In ihm selbst seien sofort die Erinnerungen an den Amoklauf von Erfurt 2002 aufgestiegen, als er am Dienstag im Radio von dem Unglück hörte. Man denkt: Hoffentlich passiert das nicht mal bei uns, sagt er.
Über die Ursachen, dass Jugendliche zu Waffen greifen, um möglichst viele Menschen zu töten, möchte er nicht spekulieren. Es ist immer eine Summe von Einflüssen. Dass der Täter wieder einmal aus einem Haushalt kam, in dem Waffen gelagert wurden, halte er auf jeden Fall für einen kritischen Punkt.
Ob und wie man den Amoklauf in Baden-Württemberg mit den Schülern auswerten muss, darüber herrschten im Lehrerzimmer der Wiesenoberschule Jüterbog gestern Morgen unterschiedliche Auffassungen. Es werde von den Kollegen verschieden gehandhabt, erklärte Schulleiter Ralf Mund, je nachdem, welchen Diskussionsbedarf es dazu gebe. Darauf würden die Pädagogen sofort reagieren. Eine spezielle Schulung, wie man mit einer solchen Situation umgeht, habe es bislang nicht gegeben. Im Kollegium kam jedoch ein anderes Problem zur Sprache, das schon länger existiert: Die Tür zum Schulhof ist unverschlossen, seit langem fordere man ein praktikables System, das nicht jedem Fremden den Zutritt erlaubt, so Ralf Mund. Das wäre nur mit einer neuen Tür möglich, doch dafür fehlt seit Jahren das Geld.
Für die Bundestagsabgeordnete Diana Golze (Die Linke) sind Schulen als Hochsicherheitstrakte allerdings unvorstellbar. Sie sieht, gerade im Hinblick auf die aktuelle Tragödie, eine große Verantwortung bei den Eltern.
Auch Landrat Peer Giesecke zeigte sich gestern schockiert. Als Vater und auch als Schulträger hat man wahnsinnige Angst, dass so etwas auch hier passieren könnte, sagte er. Er wollte umgehend prüfen lassen, ob an hiesigen Schulen ebenfalls Notfallpläne wie in Winnenden existieren dort hatte der Schulleiter mit einer verschlüsselten Ansage die Schüler vor dem Amoklauf gewarnt. Wer den Betroffenen seine Anteilnahme mitteilen möchte, sollte dabei zurückhaltend sein. Johannes Lorenz empfiehlt Gemeinschaftsaktionen. Schulen könnten zum Beispiel einen Brief oder ein Plakat an die Winnendener Schule schicken.
Unpassend seien hingegen Geldspenden oder gar eine Fahrt an den Ort des Geschehens.
Jürgen Kaddatz, Leiter der Luckenwalder Oberschule, setzt sich schnellstmöglich mit seinem Lehrerkollegium zusammen. Wir müssen darüber reden, auch mit den Schülern, so Kaddatz. Künftig will man sorgfältiger beobachten und auf mehr Toleranz achten. Wichtig sei dabei die Rolle des Schulsozialarbeiters. Viele Schüler können mit ihm besser reden als mit einem Lehrer. Die Türen dort stehen immer offen, so Kaddatz.axe/mb/efg/ewe
Quelle: MAZ Online, 13.03.2009; http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11455214/61939/Diskussion-in-der-Region-ueber-den-Amoklauf-von.html